Dienstag, 27. März 2012

Woche 6

An meinem kleinen Arbeitsplatz zu Hause hängt der Fastenkalender der evangelischen Kirche. Ein Geschenk meiner Schwiegermutter. Fand ich ihn zunächst unnötig, hat er mich schnell überzeugt. Schön gestaltet und mit Texten, die keine Predigten sind. Sieben Wochen ohne falschen Ehrgeiz. Gute Idee in Zeiten von höher, schneller, weiter. Heute stößt dieses Gedicht von Mascha Kaléko zum Denken an.

Einmal sollte man...

Einmal sollte man seine Siebensachen
Fortrollen aus diesen glatten Geleisen.
Man müßte sich aus dem Staube machen
Und früh am Morgen unbekannt verreisen.

Man sollte nicht mehr pünktlich wie bisher
Um acht Uhr zehn den Omnibus besteigen.
Man müßte sich zu Baum und Gräsern neigen,
Als ob das immer so gewesen wär.

Man sollte sich nie mehr mit Konferenzen,
Prozenten oder Aktenstaub befassen.
Man müßte Konfession und Stand verlassen
Und eines schönen Tags das Leben schwänzen.

Es gibt beinahe überall Natur,
- Man darf sich nur nicht sehr um sie bemühen -
Und soviel Wiesen, die trotz Sonntagstour
Auch werktags unbekümmert weiterblühen.

Man trabt so traurig mit in diesem Trott.
Die anderen aber finden, daß man müßte...
Es ist fast so, als stünd man beim lieben Gott
Allein auf der schwarzen Liste.

Man zog einst ein Lebenslos "zweiter Wahl".
Die Weckeruhr rasselt. Der Plan wird verschoben.
Behutsam verpackt man sein kleines Ideal.
- Einmal aber sollte man... (Siehe oben!)